Women in Tech – über Frauen in der Elektronikfertigung
Weibliche Führungskräfte in technischen Berufen gehören nicht nur bei EMS-Dienstleistern zur Minderheit, sondern in fast allen MINT-Berufen.
Seit dem 1. Januar 2022 ist Kristin Teichmann bei A+B Electronic die Leiterin der Gesamtfertigung. Schon seit einigen Jahren hat sie die Verantwortung für das Produktionsmanagement und somit für viele Teams bei uns in der Produktion. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie sie zu dem technischen Studium gekommen ist, was ihr an ihrem Beruf besonders gefällt und wie sie mit stereotypischen Rollenbildern umgeht.
Frau Teichmann, Frauen in technischen Berufen sind noch immer eine große Minderheit. Fangen wir also von vorne an: Wie sind Sie dazu gekommen sich für einen Beruf in der Elektronikfertigung zu entscheiden?
Kristin Teichmann: Ich hatte eigentlich schon immer ein Talent für die mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächer in der Schule. Ab der Mittelstufe konnten wir dann einen Schwerpunkt legen, da habe ich mich für den Bereich MINT entschieden. Mit Physik und Mathe als Leistungskurs habe ich aber schnell gemerkt, dass ich gerne einen Praxisbezug hätte. Nicht nur die theoretische Arbeit. Deswegen habe ich mich nach der Schule für ein duales Studium im Bereich Elektrotechnik entschieden. Im Studium selbst hat mir die Arbeit mit Baugruppen wirklich gut gefallen. Also auch das, was wir hier bei A+B Electronic machen. Wir hatten Studienfächer zur Erstellung von Schaltplänen, haben eigene Layouts erstellt und Platinen selbst bestückt. In meinem Ausbildungsbetrieb hatten wir eine kleine Fertigung, so konnte ich da löten und andere kleine Projekte angehen.
Bezogen auf das Thema Women in Tech, wie war die Verteilung in Ihrem Studiengang?
Kristin Teichmann: Wir waren zwei Frauen, unter insgesamt 33 Leuten im Jahrgang. Das war schon sehr wenig. Aber ich denke Elektrotechnik ist unter den MINT-Fächern nochmal besonders technisch, vielleicht schreckt das noch etwas mehr ab. Und man muss natürlich erst einmal einen Platz im Unternehmen finden als duale Studentin. Es geht auch anders. Bei uns im Betrieb war es sogar eher normal, da gab es pro Ausbildungsjahr eine Frau und einen Mann. Das kann sehr unterschiedlich sein.
Das ist eine sehr niedrige Quote. Macht man sich das zwischendurch bewusst? Dass man die einzige Frau im Raum ist oder beschäftigte Sie das weniger?
Kristin Teichmann: Wenn ich so darüber nachdenke, ist es andersherum. Für mich ist das der Normalzustand, ich bin es so gewohnt. Wenn eine andere Frau dabei ist, denke ich eher ‚Ach Mensch, da ist ja doch nochmal jemand anderes‘. Bei A+B Electronic in der Fertigung haben wir eine weitere Abteilungsleiterin, ansonsten sind viele Führungspositionen männlich besetzt. Aber das liegt auch viel daran, dass es nicht viele Frauen mit dem entsprechenden technischen Hintergrund gibt.
Wenn Sie an Ihre aktuellen Aufgaben denken, was macht Ihnen an der Arbeit am meisten Spaß?
Kristin Teichmann: Definitiv die Vielfalt der Technologie mit der ich zu tun habe. Früher wollte ich gerne in die Automobilbranche. Aber wenn es da schlecht läuft, entwickelt man 40 Jahre lang Lenkräder. Es macht ja nicht einer das ganze Auto. Und in der Elektronikfertigung hat man wirklich alle Branchen – Luft- und Raumfahrt, Automobiltechnik, Agrartechnik und so weiter. Man sieht aus verschiedenen Branchen den aktuellen Stand der Technik und die Entwicklungen. Ich bin hier nicht auf einen Bereich spezialisiert, sondern kann wirklich in die breite Masse gehen.
In Bezug auf die Herausforderungen in Ihrem Berufsleben, was bleibt Ihnen da im Gedächtnis?
Kristin Teichmann: Ich denke eine Herausforderung – die alle Ingenieure und Ingenieurinnen betrifft – ist der große Konkurrenzgedanke. Der ist größer als in anderen technischen Berufen, weil die Ergebnisse unserer Arbeit messbarer sind. Ich entwickle eine Schaltung und die kommt viel schneller zu Ergebnissen als die eines anderen. So etwas eben. Aber ich glaube, wir brauchen das auch. Durch diesen Konkurrenzgedanken schaffen wir weltweit den technologischen Fortschritt. Gerade als Frau wird man in der Konkurrenz im ersten Moment schnell unterschätzt. Wenn der Gegenüber merkt, dass man was draufhat, dann wird der Ansporn für beide Seiten noch größer. Einfach gesagt: Man will ja nicht schlechter sein als die einzige Frau. Diese Einstellungen können sehr herausfordernd und anstrengend sein.
Was sind MINT-Berufe und welche Bereiche gehören dazu?
MINT ist ein Akronym für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Es umfasst also verschiedene Disziplinen, die thematisch breit gefächert sind. Gerade durch die Digitalisierung wächst weltweit der Bedarf an Fachkräften aus dem MINT-Bereich. Im Jahr 2020 lag der Anteil von weiblichen Auszubildenden nur bei rund 15%.
Und wie sieht es bei den Frauen untereinander aus?
Kristin Teichmann: Meinen Erfahrungen nach ist es da leider nicht viel besser. Die Konkurrenz ist auch da groß. Vielleicht ein bisschen mit dem Hintergedanken, dass es nicht viele Frauen in Führungspositionen gibt und möglicherweise nur eine die Chance darauf hat. Das finde ich tatsächlich super schade, denn Frauen müssten untereinander stärker zusammenhalten.
Bei den ganzen Konkurrenzgedanken, glauben Sie es gibt Bereiche, in denen Frauen eher im Vorteil sind?
Kristin Teichmann: Heute reicht es nicht mehr die beste Schaltung zu entwickeln, man muss sie den Kollegen und Kunden auch verkaufen können. Die Softskills werden immer wichtiger. Und da glaube ich schon, dass Frauen ein paar Vorteile haben, was Kommunikation und Empathie angeht. Natürlich nicht per se, aber in vielen Situationen.
Haben Sie in Ihrem Berufsleben diese stereotypischen Klischees schon erlebt?
Kristin Teichmann: Ich habe mich dadurch nicht groß benachteiligt gefühlt, aber natürlich habe ich mit den typischen Rollenbildern zu kämpfen. Bevor ich ins Produktionsmanagement gewechselt bin, habe ich mit einem Kollegen zusammen die Vertriebsleitung übernommen – er den kaufmännischen Part und ich den technischen. Egal ob neuer Ansprechpartner oder Mitarbeiter, jeder hat zuerst gedacht, dass ich den kaufmännischen Teil betreue und der Kollege den technischen. Das ist mir natürlich aufgefallen. Grundsätzlich sollte man sich da nicht zu sehr drüber ärgern. Die wenigsten Leute machen das aus Böswilligkeit, es kommt halt aus den Rollenbildern. In dem Moment sollte man drüberstehen, selbstbewusst sein und die Situation mit einem Lächeln aufklären. Bei den meisten Leuten merkt man direkt, wie im Kopf ein Schalter umspringt und sie denken ‚Oh, da habe ich mich von meinem falschen Rollenbild lenken lassen‘. Wichtig ist mir nur, da keine sinnlosen Diskussionen zu führen. Als Frau hat man oft das Problem als zickig abgetan zu werden, wenn die Diskussion doch hitziger wird. Man sollte höflich und nett bleiben, dann klären sich viele Missverständnisse von allein auf. Ich habe gelernt, mich auf mich selbst zu konzentrieren und mich nicht ständig mit anderen zu vergleichen. Das hilft mir enorm.
Als es dann in Richtung Führungsposition und Produktionsmanagement ging bei A+B Electronic, haben Sie sich um dieses Thema Gedanken gemacht?
Kristin Teichmann: Erstmal habe ich mir Gedanken über die Verantwortung als Führungsperson gemacht. Aber ich hatte da Lust zu. Ich arbeite gerne mit Menschen, egal ob im Team oder als Teamleitung. Natürlich kam mal der Gedanke, ob ich mich als Frau durchsetzen kann. Das Gute für mich war, dass ich die Mitarbeiter hier alle kenne und sie mich auch kennen. Deswegen hatte ich bei dem Schritt gar keine Sorgen. Ich wusste, dass meine Kollegen hinter mir stehen und ich nur wegen meines Geschlechts keine Konflikte zu erwarten habe.
Wenn Sie zurückdenken und auch in die Zukunft schauen: Denken Sie, es wird bei dem Frauenanteil in technischen Berufen große Veränderungen geben?
Kristin Teichmann: Schwierig. Ich kann noch keinen allzu großen Zeitraum betrachten. Aber in unserer Gesellschaft steht es jedem offen einen technischen Beruf zu wählen. Das Problem sind vielleicht auch weniger die Unternehmenskulturen, sondern die Rollenbilder. Mädchen mögen pink, Jungs mögen blau – das lernen immer noch viele Kinder. Eltern, vielleicht für Mädchen gerade Mütter, haben da einen großen Einfluss. Ich war es zum Beispiel immer gewohnt, dass meine Mutter arbeiten geht. Da konnte ich mich in der Schule in alle Richtungen orientieren, die ich wollte. Und heute gibt es den Zukunftstag, wo Mädchen in technische Berufe reinschnuppern können. Und später gibt es Förderprogramme für Frauen mit MINT-Schwerpunkten. Vieles muss mit der Zeit wachsen. Wir können jetzt nicht losziehen und 50% Frauen in die Elektrotechnik zwingen, das Interesse muss sich selbst entwickeln. Das alte Rollenbild entspricht nicht meinen Vorstellungen, und ich denke das wird sich bei vielen so entwickeln. Deswegen freue ich mich, dass wir zu dem Thema sprechen.
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