Ein Überblick der Weltmarktlage: Elektronische Bauteile
Ein Markt, der seit vielen Jahren nicht zur Ruhe kommt, eine globale Pandemie, klimatische Veränderungen und Katastrophenfälle – die Thematik zum Chipmangel ist sehr komplex.
Die aktuelle Lage am Markt für elektronische Bauteile lässt sich nicht nur auf Covid-19 zurückführen. Schon im Mai hatten wir mit unserem strategischen Einkäufer Marcus Hartwig zu dem Thema Bauteilknappheit gesprochen. In unserem Webinar Anfang September haben wir die Thematik mit Branchenexperten und Distributoren besprochen und geben nun einen Überblick zur Situation am Markt.
Hinweis
Wir haben am 30.04.2024 ein Update zum Bauteilmarkt veröffentlicht. Hier erfahren Sie mehr zu der Lage im Jahr 2024, Fertigungskapazitäten und Prognosen am Markt.
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Einflüsse, die den Chipmangel unterstützen
Während im amerikanischen Raum ein außergewöhnlicher Wintersturm die Produktionen lahmlegt, hat der asiatische Raum mit Bränden, Dürren und
Erdbeben zu kämpfen. Und die globale Pandemie sorgt für einen sprunghaften Anstieg bei der Nachfrage für Unterhaltungselektronik, Home-Office Equipment etc. Ein ohnehin schon angespannter Markt arbeitet an der Kapazitätsgrenze und es folgen Ausfälle und Engpässe in der Supply-Chain, die sich nicht einfach so aufholen lassen. Bei den vielen Zusammenhängen ist es schwierig den Überblick zu behalten. Vereinfacht gesagt lassen sich die Einflüsse auf die Marktlage in fünf Punkten zusammenfassen:
Kapazitätsprobleme durch Covid 19
Freie Märkte zeichnen sich durch eine Vielzahl komplexer Produktionsschritte aus. Ein einziger Prozess kann sich in verschiedenen Schritten um den gesamten Globus verteilen. Mit der Ausweitung des Coronavirus gehen viele Länder seit Anfang 2020 in den Lockdown. Die Folgen: Produktionsausfälle, Einbrüche in den Lieferketten und Grenzschließungen, die die Beschaffung elektronischer Bauteile erschweren.
Gleichzeitig erfahren viele Elektronikbereiche wie die Unterhaltungselektronik, Home-Office Equipment oder Medizintechnik einen Boom durch die Pandemie. So entsteht unter anderem durch die gestörten Lieferketten ein deutlicher Nachfrage-Überhang und in vielen Bereichen erreichen die Produktionskapazitäten ihr Limit.
Feuer & Hitze in Asien
Parallel erschweren Brände und Dürre-Perioden in Südost-Asien die Produktionen von Halbleitern.
- Anfang 2021 brennt in Japan ein Chipwerk von Renesas, die Reparatur zieht sich über mehrere Monate. Wettbewerber befinden sich bereits an ihrer Kapazitätsgrenze und können die Ausfälle nicht auffangen.
- Bei zwei Harzherstellern in Korea und China treten kurz hintereinander Explosionen und erhebliche Brände auf.
- In Taiwan sorgt eine Dürre-Periode für Probleme in der Wasserversorgung, die auch für die ortsansässige Chip-Produktion notwendig ist.
So sind viele Produktionen im asiatischen Raum betroffen und haben mit Ausfällen und Stillständen zu tun, die sich teils über Monate hinziehen. In Kombination mit den Kapazitätsproblemen führt das im Weltmarkt zu einer Störung der globalen Chip- und Produktversorgung.
Kältewelle in den USA
Der Unterschied zu Hitze und Bränden in Südost-Asien könnte kaum größer sein. Denn zu Beginn 2021 leiden US-Staaten wie Florida oder Texas unter einer extremen Kältewelle. Große Chiphersteller wie Infineon oder NXP sind durch das Wetter gezwungen ihre Produktionen einzustellen. Erst nach einem Monat können die Produktionen langsam wieder hochgefahren werden, für die Unternehmen bedeutet dies einen Umsatzausfall im Millionenbereich. Die Ausfälle treffen dabei eine Branche, die schon am Limit arbeitet.
Logistikprobleme
Im Bereich Logistik und Frachtraum kollidieren die Covid-Maßnahmen mit dem Verhalten der Konsumenten. Denn während der Online-Handel ein Hoch erlebt und sich die Frachtraten zwischen Asien und Europa seit 2020 verdoppeln, verlangsamen sich gleichzeitig die Abfertigungen in vielen Häfen durch die Maßnahmen.
Quarantäneregeln stören Abläufe in der Luftfahrt und bei LKW-Transporten. Unabhängig von Covid-19 sorgt auch der US-Handelskrieg mit China oder Vorfälle wie die Blockade des Suezkanals für weitere Störungen in den Lieferketten.
Globaler Rohstoffmangel
Der Rohstoffmangel ist kein lokales Problem und auch nicht nur beschränkt auf den Markt für elektronische Bauteile. Es fehlt an allen Ecken und Enden – Halbleiter, Kupfer, Harz, Kunststoffe, Holz. Die Liste ließe sich noch fortsetzen.
Ab Mitte 2020 zeichnet sich in der Corona-Krise eine globale Konjunkturerholung ab. Durch die darauffolgende massive Nachfrage kommt es bei vielen Rohstoffen zu einem Flaschenhals-Effekt. Es sind nicht genügend Rohstoffe vorhanden, um alle Bedarfe zu decken, wodurch wiederum die wirtschaftliche Erholung gebremst wird.
Die Situation in der Halbleiterindustrie
Im Bereich der Halbleiter bewegt man sich in einem sehr konzentrierten Markt. Denn 55% des gesamten Marktvolumens wird allein von 10 Herstellern auf den Markt gebracht. Auf Seite der Kunden wiederum decken die 10 größten Kunden zusammen aber auch bereits über 40% des Bedarfs ab.
Schaut man dabei auf die regionale Verteilung des Bedarfs im Jahr 2020, so besitzt der asiatische Markt einen Anteil von 60%, Nordamerika liegt bei 20% und der Wirtschaftsraum EMEA und Japan jeweils bei ca. 10 %. Mit den großen Märkten in Asien und Nordamerika ist entsprechend auch das Interesse der Hersteller und Lieferanten größer diese zu bedienen. So steht der europäische Raum für die Halbleiterindustrie weniger im Fokus.
Entwicklung der Chip-Lieferzeiten
Halbleiter als solche haben einen recht langen physikalischen Produktionszyklus. Die Herstellungszeit beträgt in der Regel rund 30 Wochen. Dass Lieferzeiten von 12 Wochen bis Mitte 2020 eingehalten werden konnten, wurde vor allem durch Pufferbestände an Fertigprodukten und Die-Banks sichergestellt. Mit der wirtschaftlichen Erholung ab Mitte 2020 wurden die Bestände nach und nach aufgekauft. Erst der Bestand an fertigen Produkten, was zu einer Verdoppelung der Lieferzeit führte, also knapp 24 Wochen. Mit dem Leerlaufen der Die-Banks stieg die Lieferzeit auf rund 35 Wochen, was in etwa der reinen Produktionszeit entspricht.
An dieser Stelle kommen die beschriebenen Einflüsse auf den Markt und die ausgebuchten Kapazitäten der Hersteller zu tragen. Denn so entstehen heute Lieferzeiten von 50,60 oder sogar 100 Wochen. Viele Hersteller sind überbucht und können teilweise keine Aufträge mehr platzieren. So bekommen auch Distributoren von den Herstellern Signale, dass Ware erst viel später und zu angepassten Preisen geliefert werden kann.
Konsequenzen aus der aktuellen Lage
Im aktuellen Zustand sind die Lagerbestände elektronischer Bauteile weitestgehend abgebaut, die Branche lebt von der Hand in den Mund. Denn die Probleme ziehen sich durch den gesamten Beschaffungsprozess, von der Herstellung von elektronischen Bauteilen bis hin zu dem Transport an Kunden.
Allokationen gehören heute zum Alltag, Unternehmen bekommen nur Teilmengen ihrer Bestellungen zugewiesen oder Lieferanten lehnen Aufträge sogar ganz ab. Lieferzeiten verlängern sich extrem und Panikkäufe sind die Folge. So haben elektronische Bauteile Lieferzeiten von 20, 30, 50 oder sogar bis zu über 100 Wochen. Eine Planungssicherheit ist in der derzeitigen Situation nicht gegeben.
Die Preise sind bereits erheblich gestiegen und werden auch weiter steigen. Hiervon sind sogar bereits bestätigte Aufträge betroffen, da die Preise bei den Herstellern derart stark schwanken. Zusätzlich dazu werden vielfach Broker eingesetzt, die über verschiedene Wege Bauteile zu exorbitanten Preisen beschaffen. Und nicht nur Bauteile selbst werden teurer, auch die Logistikkosten steigen erheblich.
Zusammengefasst: Die gesamte Elektronikbranche steht vor akuten und massiven Herausforderungen in der Supply Chain. Denn hier stehen nicht mehr die Preisänderungen im Vordergrund, sondern überhaupt erst die Lieferungen.
Was Sie jetzt tun können
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