Bauteilknappheit – Aktualisierung der Lage für das Jahr 2022

Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass wir mit unserem strategischen Einkäufer Marcus Hartwig zu der Bauteilknappheit gesprochen haben.

Seitdem versuchen wir an Kunden und weitere Leser mit der größtmöglichen Transparenz heranzutreten und für das Thema zu sensibilisieren. Deswegen haben wir erneut mit Herrn Hartwig gesprochen, um die Situation an dem dynamischen Halbleitermarkt erneut einzuordnen.

Was interessiert Sie an diesem Thema besonders?

Bauteilknappheit - Wie entwickelt sich die Lage seit 2021?

Herr Hartwig, wir haben im Mai 2021 bereits ein Interview zum Thema Bauteilknappheit geführt. Sie hatten Kunden und Leser damals auf schwierige Zeiten eingestimmt. Wie würden Sie das vergangene Jahr am Elektronikmarkt zusammenfassen?

Marcus Hartwig: Ich bin ungerne der Schwarzmaler, aber tatsächlich sieht die Realität heute noch schlechter aus, als ich es vor einem Jahr gedacht habe. Die düsteren Prognosen vieler Marktbeobachter haben sich leider bewahrheitet. Und gleichzeitig wurden Optimisten, die dachten der ganze Spuk wäre im ersten Quartal 2022 vorbei, eines Besseren belehrt. Aktuell haben wir jeden Tag mit Preiserhöhungen und Verschiebungen von Lieferterminen für bestehende Aufträge zu tun. Bei den Verschiebungen reden wir auch nicht von Wochen, sondern von Monaten, Quartalen und teilweise Jahren.

„Vor einem Jahr habe ich gesagt, so eine Situation hat es noch nicht gegeben und es hat sich bis heute weiter zugespitzt.“

Marcus Hartwig
Leiter strategischer Einkauf
A+B Electronic

Was sind aktuell die größten Einflüsse und Nöte am Halbleitermarkt?

Marcus Hartwig: Der Markt musste im letzten Jahr immer wieder herbe Rückschläge in Kauf nehmen, wir hatten in unserem Webinar im September davon berichtet. Aktuell setzt Corona der Industrie noch stark zu, aber auch die Ukraine-Krise zeigt ihre Auswirkungen. Im Bereich Logistik werden ganze Häfen in Asien im Lockdown lahmgelegt und die Bahn ist als Transportmittel stark eingebrochen. Außerdem hat die zivile Luftfahrt noch nicht wieder das Niveau erreicht, dass sie vor Corona hatte. Dadurch fehlen wiederum Kapazitäten für Transporte. Sperrzonen über der Ukraine und Russland sorgen dafür, dass die Flieger länger unterwegs sind und mehr Sprit verbrauchen. Es staut sich an allen Ecken und Enden.

Interesse an regelmäßigen Updates zum Thema Bauteilknappheit?

Wir geben ab jetzt quartalsweise ein kurzes Update rund um das Thema. Gibt es signifikante Veränderungen am Markt? Wie entwickeln sich Lieferzeiten und Preise? Gerne geben wir Ihnen per Mail Bescheid, wenn wir wieder etwas neues zum Thema haben. Einfach E-Mail-Adresse eingeben, Anmeldemail bestätigen und fertig!

Anmeldung zum News-Update Bauteilknappheit

Hinweis: Mit Ihrer Anmeldung senden wir Ihnen lediglich Informationen rund um die Bauteilknappheit. Um über weitere Leistungen und Inhalte von A+B Electronic informiert zu werden, abonnieren Sie gerne unseren Newsletter.

Lieferzeiten & Preisschwankungen elektronischer Bauteile

Wie haben sich die Lieferzeiten der Bauteile entwickelt?

Marcus Hartwig: Im Vergleich zum letzten Jahr sind die Lieferzeiten weiter gestiegen. Damals hatte ich grob von einem Jahr gesprochen. Inzwischen liegt der Schnitt – gerade bei den namenhaften Herstellern – zwischen 80 und 100 Wochen. Ganz grob gebe ich hier intern also 2 Jahre an. Bei einigen Herstellern habe ich schon Rückmeldungen von 140 Wochen bekommen. Dazu muss ich aber sagen, dass es für mich nur noch Zahlen auf dem Papier sind, auf die man nicht mehr viel geben kann. Bis die Ware bei uns im Haus ankommt, muss man viele Probleme, Verschiebungen und Preiserhöhungen in Kauf nehmen.

Wie sieht es im Bereich der Preise aus, welche Veränderungen konnten sie hier feststellen?

Marcus Hartwig: Bei den Preisen habe ich im Vergleich zum letzten Jahr auch keine besonders guten Nachrichten. Hier haben wir einen kontinuierlichen Anstieg und manche Hersteller erhöhen mehrfach im Jahr die Preise. Man kann grob sagen, dass die preisliche Basis heute so bei 30-50 % über der im Vorjahr liegt. In der Elektronikfertigung merken wir die Steigerung schneller als in der restlichen Konsumwirtschaft. Dabei gelten die Preiserhöhungen schon lange nicht mehr nur für zukünftige Aufträge, wie es eigentlich normal und fair wäre. Es geht jetzt auch um bereits mehrfach bestätigte Aufträge. Vom Bestellzeitpunkt bis zum tatsächlichen Lieferzeitpunkt haben wir mit enormen Preisspannungen zu tun.

„Teilweise haben wir Aufträge, die sind schon 6 bis 7 Mal im Preis erhöht worden, ohne dass wir bis heute auch nur einen Termin für die Lieferung der Bauteile bekommen haben.“

Marcus Hartwig
Leiter strategischer Einkauf
A+B Electronic

Wir bringen Ihre Produkte erfolgreich in Serie!

Rufen Sie uns an

unter +49 4487 9283 11

Jetzt kontaktieren

Wie geht es 2022 und 2023 weiter mit der Bauteilknappheit?

Wie schätzen die Lieferanten und Distributoren, mit denen Sie täglich zu tun haben, die Situation ein? Was für einen Ausblick geben sie Ihnen?

Marcus Hartwig: Inzwischen gibt es kaum noch Ware in der Distributionslandschaft. Vor einem Jahr konnte man fast alles noch irgendwo besorgen, es war nur eine Frage des Preises. Aber heute sieht das anders aus. Ware, die Distributoren geliefert wird, ist meist schon mehrfach verkauft. Sie bekommen 100.000 Bauteile, haben allerdings schon Millionen davon verkauft. Dann geht die Planung los, wohin die Ware gehen soll. Konnte man vor einem Jahr noch Bauteile über Broker für das 200- bis 300-fache des Ursprungspreises kaufen, so gibt es heute einfach nicht mehr alles. Selbst wenn man bereit ist diese horrenden Preise zu bezahlen.

Ihre Einschätzung im letzten Jahr war richtig, das Problem ist auch Mitte 2022 noch aktuell wie im Mai 2021. Dieselbe Frage vom heutigen Standpunkt aus: Wie schätzen Sie die Entwicklungen für 2022 und 2023 ein?

Marcus Hartwig: Ehrlich? Es fällt mir schwer in der aktuellen Situation Aussichten für das nächste Jahr abzuleiten. Fakt ist, die Nachfrage bei den Herstellern ist ungebrochen da und sie haben nach eigenen Aussagen auf die nächsten Jahre ihre Bücher voll. Viele wollen weitere Kapazitäten aufbauen, nur wird uns das in den nächsten Monaten erstmal nicht weiterhelfen. Die Preise steigen von Tag zu Tag. Aus meiner Sicht müssen wir mit der Situation noch mindestens bis Ende dieses Jahres leben, aber wahrscheinlich auch noch lange ins nächste Jahr. Wir sollten alle lernen mit der Situation umzugehen.

„Die Preise steigen von Tag zu Tag. Ich habe noch kein Signal am Markt wahrgenommen, das einem die Hoffnung auf kurzfristige Verbesserungen gibt.“

Marcus Hartwig
Leiter strategischer Einkauf
A+B Electronic

A+B Electronic unterstützt in der Krise

Wie haben sich unsere Strategien zur Bauteilbeschaffung im letzten Jahr geändert? Haben wir einen Weg gefunden mit der Krise umzugehen?

Marcus Hartwig: Bei Kundenprojekten schauen wir gemeinsam, ob in der Entwicklung noch Optimierungen möglich sind – z.B. in der Auswahl von Bauteilen. Uns im Einkauf geht die Situation besonders an die Nieren. Deswegen haben wir unsere Kapazitäten aufgestockt und Unterstützung von zwei neuen Kollegen erhalten. Wir legen großen Wert auf den strategischen Einkauf und behalten die Verfügbarkeiten dauerhaft im Blick. Und auch in der Fertigung sind wir auf kurzfristige Änderungen eingestellt und können unsere Bestückungslinien flexibel umrüsten. Auch wenn wir an der Bauteilknappheit an sich nichts ändern können, versuchen wir intern aber die Prozesse bestmöglich darauf einzustellen. Flexibel reagieren und aktiv kommunizieren – danach handeln wir seit gut einem Jahr.

Wie hilft A+B Electronic den Kunden durch die Krise? Was können sie aktuell tun?

Marcus Hartwig: Meine Empfehlungen aus dem Vorjahr bleiben prinzipiell bestehen – frühzeitig bestellen und im besten Fall schon auf Jahre im Voraus. Wir sehen in immer mehr Fällen, dass das kurzfristige Geschäft nicht mehr funktioniert. Es fehlen die Alternativen und Aufträge müssen auf Monate oder sogar Jahre verschoben werden. Das eine oder andere bekommen wir noch gelöst, aber es wird immer schwieriger. Was sich im Vergleich zum Vorjahr gebessert hat, ist dass die allermeisten den Ernst der Situation erkannt haben. So können wir intensiv mit unseren Kunden zusammenarbeiten, um Lösungen zu finden.

Sie sehen bei sich im Unternehmen noch offene Bedarfe oder sind sich unsicher, wie Sie mit der aktuellen Bauteilknappheit umgehen sollen? Dann sprechen Sie uns gerne an. Gemeinsam finden wir die beste Lösung für Ihre Projekte.